Die Zwei Gesichter des BVB

23.10.14 Unknown 0 Comments

Kollektives Aufatmen in Dortmund! Nach dem gestrigen 4:0-Sieg über Galatasaray Istanbul dürften die Kritiker zumindest bis Samstag ruhig gestellt sein. Presse und Fans sind wohlauf, der Vorstand und das Team wieder guter Dinge (aber ohne Euphorie, versteht sich). Unter die zahlreichen Lobeshymnen und den schier unendlichen Posts von Marco Reus' Traumtor auf Facebook und Instagram mischt sich jedoch für mich eine kleine Frage: Warum besiegt der BVB in der Königsklasse den türkischen Vizemeister mit Leichtigkeit und legt gleichzeitig den schlechtesten Bundesligastart seit Jahrzehnten hin?


Dortmund hat diese Saison eine schöne und eine "nicht so schöne" Seite. Gestern, in Istanbul,  sahen wir wieder wunderschöne Kombinationen, präzise Zuspiele, schnelle Konter und herrliche Weitschüsse in den Winkel. Und am Samstag in Köln? Desolate Abwehr, mangelnde Chancenauswertung und ein kurioses Torwartspiel. Der BVB 2014/2015 hat zwei Gesichter.

Doch wieso sind die Schwarzgelben in der Liga so schwach? Und warum kriegt man es in der Königsklasse dann doch irgendwie hin? In der Dritten Halbzeit sage ich Euch, woran es liegt:

Faktor Nummer 1: Sokratis - Back to the Roots

Wer vor dem Spiel die Aufstellung des BVB gesehen hat, musste wahrscheinlich kurz blinzeln. Sokratis auf außen? Den meisten wird der Grieche als Innenverteidiger bekannt sein, doch Coach Jürgen Klopp ließ Großkreutz draußen und in der Mitte Hummels und Subotic ran. Und siehe da, es geht doch! Kein Gegentor und nur einen Torschuss zugelassen - nach 14 Gegentoren in 8 Bundesligaspielen Balsam für die schwarzgelbe Seele.
Viele werden sagen, dass diese Umstellung ein gewagtes Experiment war. Doch diejenigen muss ich leider enttäuschen: Sokratis weiß sehr wohl, wie man auf Außen spielt. Sowohl beim AC Mailand, dem CFC Genua als auch bei Werder Bremen war Sokratis gesetzter Rechtsverteidiger. Erst nach einer halben Saison in Bremen wurde er zum Innenverteidiger "umfunktioniert". Funktioniert hat es nicht - die Bremer fingen sich in der Rückrunde 2012 mehr Gegentore als der BVB in der gesamten Saison. Herr Klopp sollte es sich somit gut überlegen, ob er nicht doch weiterhin an Sokratis auf Außen festhalten möchte. Denn wie heißt es so schön: "Never change a winning team." Schön gar nicht, wenn sie es mit 4:0 tun.

Faktor Nummer 2: Marco Reus - Der 10er mit der 11

Mit dem sich immer mehr lichtenden Lazarett rückt auch endlich wieder der wohl beste Dortmunder auf den Plan: Marco Reus konnte am Samstag gegen Köln ein persönlich recht positives Comeback feiern. Mit einem Assist und vielen guten Aktionen war er einer der wenigen Lichtblicke des dortmunder Spiels. Wer am Samstag noch so seine Zweifel hatte, wurde gestern vollends vom Linksaußen durch ein eingeleitetes Tor und einen Hammer aus der Distanz überzeugt. Bereits gestern konnte man erahnen, wie sehr der man mit der Nummer 11 seinen Kollegen in der Liga gefehlt hat.

Schwarzer Pfeil = Passweg - Reus und Kagawa gegen Istanbul
Das wohl beste an Reus' Rückkehr ist wohl das Verständnis mit seinem (zumindest für ihn) neuen Kollegen Shinji Kagawa. In Köln lediglich bei zwei gefährlichen Aktionen gemeinsam beteiligt, wurde das Duo Reus/Kagawa zu DER großen Schaltstelle im offensiven Mittelfeld. Die Statistik zeigt: die mitunter meisten Pässe im gesamten Spiel waren die zwischen dem Japaner und seinen deutschen Teamkollegen. Fehlt nur noch ein passender Name: Reusawa? Kagaweus? Vielleicht habt ihr bessere Ideen. Wenn ja (davon bin ich überzeugt), bitte kommentieren.

Faktor Nummer 3: Laufleistung - Langsam zu viel?

Seit Jahren sind nicht nur deutsche Fußball-Fans begeistert vom dortmunder Lauf- und Konterspiel. Doch was ist wenn man einfach zu viel läuft? Ab wann läuft man nur noch hinterher? Diese Frage hat soweit ich weiß noch keiner gestellt. Ein kleiner Blick in die Statistiken: 2012 liefen die Dortmunder im Schnitt 111 Kilometer pro Ligaspiel. Zum Vergleich: Ligakonkurrent FC Bayern lief 110 Kilometer. Zwei Jahre später läuft Dortmund ganze zehn (!) Kilometer mehr (121), wohingegen die Bayern "nur" 4 Kilometer draufgepackt haben (114). Kann es schlichtweg mit der Kondition zu tun haben, dass dem BVB in der entscheidenden Phase die Luft entweder zur Aufholjagd oder der Punktesicherung fehlt? 
Beim 3:2 in Augsburg wurde es in den letzten zehn Minuten richtig knapp, in der 81. und 88. Minute bekam man hier noch die Gegentore. Gleichzeitig hat Dortmund in dieser Partie über 125 Kilometer abgespult - Liga-Topwert diese Saison. Das Laufspiel des BVB muss wieder intelligent werden. Phasenweise hat man als Zuschauer das Gefühl, dass die Spiele Wege gehen, die sie gar nicht machen müssten. Das kostet Kraft. Und genau davon braucht Schwarzgelb während der Doppelbelastung jede Menge.

Mini-Faktor: Motivationsproblem?

Ein etwas entfernterer Denkansatz für das Leistungsgefälle findet sich beim Blick auf die Aufstellung: In Köln waren sieben Spieler in der Startelf Teil der Meistermannschaft von 2012. Gleichzeitig spielten gestern 7 Spieler von Beginn, welche 2013 im Champions-League-Finale gegen Bayern München auf dem Feld standen. Haben die Spieler überhaupt noch Bock auf die Bundesliga? Sparen sie - vielleicht unbewusst - ihre Kräfte lieber für den Henkelpott? Niemals würde das jemand bestätigen, aber wenn mir nur noch der CL-Titel in der Vita fehlt, dann wüsste ich selbst auf jeden Fall, wo meine Prioritäten liegen. Bin ich der einzige, der so denkt?

Alles in allem lässt sich dieser Leistungssprung also doch erklären. Die nach und nach zum Team stoßenden Rückkehrer können auf jeden Fall für noch mehr Aufwind sorgen. Und mit der Kette Sokratis - Hummels - Subotic - Piszczek hat Jürgen Klopp zum ersten mal diese Saison eine konkurrenzfähige Verteidigung zusammengestellt.

Bleibt nur noch eine letzte Frage: Welches Gesicht zeigt der BVB am Samstag?

Was meint Ihr? Kann der BVB an die Super-Performance aus der Champions League anknüpfen? Oder sehen wir wieder statt schwarzgelbe Offensivpower nur schwarzweißen Bundesligaalltag? Schreibt uns was Ihr denkt!

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