Di Matteo und die Catenaccio-Lüge

6.11.14 Unknown 0 Comments

Die letzten zwei Champions-League-Spiele des FC Schalke waren richtige Tor-Festivals. Diesmal jedoch zogen leider die "Knappen" nach einer erneuten torreichen Partie den Kürzeren, 4:2 mussten sie sich gegen Sporting Lissabon geschlagen geben. In den Interviews winden sich Höwedes und Co. um die Suche nach der Defensivstruktur, welche sich das Management vom neuen Coach Roberto Di Matteo erwartet. Doch 7 Kisten sprechen nicht gerade für das Catenaccio, das den Fans versprochen wurde. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: von Catenaccio kann kaum die Rede sein.



Mythos Abwehrspezialist


Das Wort "Catenaccio" kommt aus dem Italienischen und bedeutet Riegel. Gemeinhin ist dieser Begriff ein Synonym für ein entnervendes Defensivbollwerk, Befürworter sehen in ihm den Schlüssel zum Erfolg. Im Jahr 2012 brachte der FC Chelsea mit dieser Taktik, angeführt von Di Matteo, die Konkurrenz reihenweise zur Weißglut und seine Londoner zum Champions-League-Sieg. In Windeseile hatte sich der Italo-Schweizer eine Reputation als Defensiv-Spezialist aufgebaut. Und genau das erhofft sich Königsblau auch von ihm. Doch leider stimmt das nicht so ganz. Blicken wir ein wenig zurück:

West Bromwich Albion (2009 - 2011): 72 Spiele/96 Gegentore

2009 schlug Di Matteo in West Bromwich auf und startete die Saison in der zweiten englischen Liga. Nach 46 Spielen landeten die "Baggies" auf Platz 2 und sicherten sich so den Aufstieg. Die Bilanz: 46 Spiele, 48 Gegentore, 15 Spiele ohne Gegentor. Nicht gerade eine defensive Meisterleistung, doch der Erfolg gibt immer Recht.
Die zweite Saison im Provinzclub war nicht so rosig. Wieder bekam man 48 Gegentore, doch diesmal benötigten die Gegner nur 26 Partien. Lediglich ein Spiel wurde ohne Gegentor beendet und Di Matteo daraufhin entlassen. Zum Vergleich: der FC Chelsea musste erst am dritten Spieltag zum zweiten Mal anstoßen. Lang währte Die Matteos Pause nicht. Bereits nach einem Jahr trat er die Nachfolge von Andres Villas Boas bei Chelsea London an.

FC Chelsea London (2012 - 2012): 34 Spiele/43 Gegentore

Nach dem verkorksten Projekt "Villas Boas" wurde Di Matteo als Interims-Lösung auf die Londoner Bank gesetzt. Trotz einer ohnehin blamablen Saison in der Liga gelang ihm das unglaubliche: der - wenn auch ziemlich glückliche - Champions-League-Sieg mit den "Blues". Nicht einmal José Mourinho war dies gelungen. Die "Mauer-Taktik" wurde zugleich gehasst und gefeiert. Doch von Beton anrühren kann hier kaum die Rede sein: Chelsea sammelte unter dem Italiener 7 Gegentore in den letzten sechs Partien der Königsklasse. Die Sieger 2013 und 2014, Bayern München und Real Madrid, bekamen nur drei beziehungsweise vier Gegentore auf dem Weg zum Titel. Das "Mauern" funktionierte somit nur optisch. 
Auch in der Liga war von einer stabilen Defensive eher weniger zu sehen. 14 Gegentore gab es in elf Liga-Partien. Man rutschte mit Di Matteo sogar von Platz 5 auf Platz 6 ab! Trotz zahlreicher Ankündigungen, den Italiener nach der Saison zu entlassen, wurde Di Matteo dank der Fans im Amt gehalten. Doch nach zwölf Spielen war endgültig Schluss: Trotz sieben Siegen in der Liga beklagten die Bosse um Roman Abramovic das schlechte Abschneiden in der Gruppenphase der Champions League. Die Gegentore: 13 in der Liga, 9 in fünf Champions-League-Spielen.

Nun ist Di Matteo beim FC Schalke. Bisher stehen zwei Siege in drei Liga-Spielen zu Buche. Ein Gegentor in der Liga, sieben in der Champions League. Für den Moment erinnert vieles an die vergangenen Trainerstationen. Eine Frage bleibt: Hat Di Matteo im letzten Jahr dazugelernt?


Kader machen Leute

Der FC Chelsea ist ein Top-Club. Er ist gespickt mit Spielern von hoher Qualität, selbst auf der Ersatzbank. Nahezu jeder Spieler hat die Fähigkeit, durch Einzelaktionen ein Spiel zu entscheiden. Und genau das kam Di Matteo zu Gute. Drogba, Terry, Ramires, Mata, David Luiz ... all diese Spieler halfen dem Italiener bei so manchem Sieg, vor allem in der Champions League 2012. Auch in der Liga kompensierten vor allem die Offensivspieler die lückenhafte Abwehr. Gegen die "kleinen" Teams der Liga funktionierte diese Taktik, doch die Top Vier der Liga (Man City, Man United, Liverpool, Arsenal) waren so jedoch nur einmal zu knacken. Vor allem eine Statistik zeigt dies sehr deutlich: von zwölf Siegen in der Premier League holte Di Matteo ganze zehn gegen Gegner, welche sich am Ende der Saison auf Platz 10 oder niedriger befanden. Lediglich Arsenal London und Tottenham konnten besiegt werden. 
In Gelsenkirchen findet Di Matteo ebenso einen mit Technikern gespickten Kader wieder, jedoch reicht der bei allem Respekt nicht an die Klasse eines FC Chelsea heran. Wie sind die Siege gegen Hertha (Platz12) und Augsburg (Platz10) zu werten? Darf sich eine deutsche Top-Verteidung sechs Gegentore gegen den Tabellensechsten Portugals einfangen? Und wie schwer wird der Ausfall von Julian Draxler, dem wohl begabtesten Spieler des Teams? Die Ansätze sah man in Lissabon: Offensiv wurde wenig geboten, nur neun Schüsse wurden von Königsblau abgegeben. Im letzten Spiel gegen Sporting waren es 15, vier allein durch Draxler. Was also kann Di Matteo aus Schalke herausholen, außer einer neuen Startaufstellung?

Die Wochen der Wahrheit warten

Noch hat der Italiener Zeit, sich seiner Mannschaft bewusst zu werden und die richtigen Schrauben in der Defensive zu drehen. Doch das Restprogramm der Hinrunde ist gespickt mit direkten Duellen. Neben den Heimspielen gegen den VfL Wolfsburg und Mainz 05 müssen die Knappen  beim Super-Aufsteiger aus Paderborn antreten. Nicht zuletzt wartet in knapp 3 Wochen der Heimkracher gegen seinen Ex-Club FC Chelsea. Spätestens dann muss Di Matteo zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Doch noch viel mehr muss er zeigen, dass er das italienische Defensiv-Handwerk versteht. Denn eine Tatsache ist so gut wie unumstößlich: "Defense wins championships."

Was meint Ihr? Kriegt Di Matteo defensiv die Kurve mit den Königsblauen?

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