4 Tore, 5 Lehren - Eine Analyse

15.11.14 Unknown 0 Comments

Vier zu Null. Ein tolles Ergebnis. Außer man spielt gegen Fußballzwerg Gibraltar. Außer man ist Weltmeister. Außer man hat Brasilien zu Halbzeit bereits fünf Dinger eingeschenkt. Vier Tore hat die Nationalmannschaft geschossen, doch Herr Löw meint es seien "vier zu wenig". Verbesserung ist für das Spiel gegen Spanien erwünscht. Und wie - mit Sicherheit auch - der Bundestrainer haben wir unsere Lehren aus dem EM-Quali-Spiel gegen das britische Überseegebiet gezogen. Stifte raus, Hefte auf!
Joachim Löw: Zufriedenheit sieht anders aus

1. Podolski und das Spielpraxis-Paradoxon


Gestern stand Lukas Podolski 90 Minuten auf dem Feld. Das ist genauso lang wie für seinen Arbeitgeber Arsenal in Premier und Champions League zusammen. Zufrieden kann Podolski mit dieser Situation sicher nicht sein. Zumindest der Bundestrainer ist es nicht: „Ich habe mich mit Lukas unterhalten über seine Situation. Er wird sich Gedanken machen müssen, glaube ich. Für Lukas ist zwingend notwendig, dass er irgendwo regelmäßig spielt.“ Die meiste Spielpraxis erhält der Kölner bei Joachim Löw - nicht gerade eine ideale Qualifikation als Nationalspieler. Zudem waren seine beiden Assists gegen Gibraltar erst Torbeteiligung zwei und drei. Podolski weiß, wie mittlerweile auch wir, dass er mit diesen Ziffern 2015 nicht mehr zum Kreis der Nationalmannschaft gehört.

2. Mehr Köpfchen, bitte


Zwanzig Ecken bekamen die Deutschen zugesprochen. Aus keiner einzigen entstand ein Tor. Doch damit nicht genug: allein Karim Bellarabi fackelte mit gefühlt 30 hohen Bällen ein wahres Flanken-Festival ab. Sie fanden keinen Abnehmer. Der hohe Ball ist nicht die größte Stärke dieser passfixierten Mannschaft. Das zeigen auch die Zahlen: Stürmer Max Kruse schoss nur eines seiner fünf Bundesligatore mit dem Kopf, Kollege Thomas Müller sogar gar keins - und das mit sechs Toren. Natürlich muss das nicht das probate Mittel werden. Doch wenn es am Boden eng wird, dann sind es diese kleinen Dinge wie Ecken oder eine Flanke, die Spiele entscheiden. Beispiele: Spanien - Deutschland 2010, Deutschland - Italien 2012, Bayern - Chelsea 2012, Real - Atletico 2014, nur um die aktuellsten zu nennen.

3. Die gute alte Chancenverwertung


Natürlich darf dieses Wort nicht in dieser Liste fehlen. Das Dortmunder "Unwort des Jahres" hat sich auch gestern in Nürnberg breit gemacht. 37 Schüsse wurden gezählt, nur neun gingen auf das Tor. Gibraltar schoss dreimal, und jeder Schuss ging auf's Tor. Woher rührt also diese Inkonsequenz? Im Abschluss war die DFB-Elf schlichtweg unkonzentriert. Ob es nun am Spielstand oder am Gegner selbst lag, das vermögen nur die Spieler selbst zu sagen. Doch eigentlich wissen wir, dass die Deutschen a) gegen die Großen nicht so viele Chancen bekommen, aber b) diese dann konsequent nutzen. Zu Hundert Prozent sicher sein können wir trotzdem nicht. Gegen Spanien kann die Löw-Elf das ja unter Beweis stellen.

4. Deutsche Fans sind sehr vergesslich


Genau 124 Tage ist der Triumph von Rio her. Vierundzwanzig Jahre warteten die deutschen Fans sehnlichst auf den Goldenen Pokal. Und sie holten ihn mit einer Souveränität, die unglaublich war. Die DFB-Elf machte Fußball-Deutschland das größte Geschenk seit 1990, für immer unvergesslich. Leider nicht. Pfiffe und Buh-Rufe schallten von den Tribünen des Grundig-Stadions, als das Spiel beim Stand von 4:0 beendet wurde. Natürlich hatten sich alle mehr erwartet. Dennoch spielt hier der Weltmeister, und das zuhause. Hat man sich nach so einem Turnier wie diesen Sommer nicht etwas mehr Respekt verdient. Anscheinend nicht, aber die Weltmeister-Müdigkeit verschwindet gewiss nicht durch Pfiffe. Rückblick Oktober 1990. Der Weltmeister Deutschland entgeht in Luxemburg knapp einer Blamage. Endstand: 3:2 für Deutschland. Glück für die Mannen um Voigts: Sie durften Auswärts spielen.

Bonus: Thema "Weltmeisterlich"
Des öfteren wird ja darüber gesprochen, dass das Team um Joachim Löw nicht "weltmeisterlich" genug spiele. Hier ein paar Zahlen: Gegen Gibraltar spielten genau fünf von 14 Spielern, welche im Finale gegen Argentinien auf dem Platz standen. 13 Spieler, die im WM-Kader standen, waren auch im Aufgebot gegen den UEFA-Neuling - davon drei Torhüter. Die große Frage: Wie soll ein Team "weltmeisterlich" spielen, wenn es gerade mal aus de facto fünf Weltmeistern besteht? Geben wir diese Frage an den FC Barcelona weiter, welcher zwischen 2008 und 2014 trotz mehrerer "Weltmeister" nicht jedes Jahr die Champions League gewonnen hat.
Der "Gejagte": Weltmeister Mario Götze

5. Deutschland ist der "Gejagte"


Die DFB-Elf ist seit dem Sieg in Brasilien das Maß aller Dingen - zum Leidwesen des DFB selbst. Gegen kein Team der Welt werden sich die Mannschaften dieser Welt mehr anstrengen als gegen den Weltmeister. Die Bayern-Spieler kennen dieses Phänomen aus der Bundesliga, genauso wie die Madrilenen in der Primera Division. Wenn diese Mannschaften auf Underdogs treffen, dann sehen sie entweder schlecht aus oder demontieren diesen nach allen Regeln der Fußballkunst. Einen Mittelweg gab es und gibt es nicht. Spiele gegen den bereits im Vorfeld feststehenden Verlierer sind die mitunter schwersten. Das weiß Löw, das weiß das Team. Und vielleicht wissen es auch einige Fans. Alle können es nicht gewesen sein. Dafür waren die Pfiffe zu laut.

Beim ehemaligen "Gejagten" Spanien kann das Team von Joachim Löw noch einmal zeigen, dass es den Weltmeister-Titel mehr als verdient hat. Das Spiel am Dienstag gegen die Furia Roja kann all diese Thesen relativieren. Dazu braucht es lediglich ...
-  Volland statt Podolski auf links
-  zwei Kopfballtore
-  4 Tore aus 4 Schüssen
-  genug deutsche Fans in Vigo, die mit ihrem frenetischen Jubel die Pfiffe der Spanier überdecken

Wir dürfen also gespannt sein.

Sagt uns Eure Meinung! Welche Lehren kann Joachim Löw noch aus dem Spiel gegen Gibraltar ziehen?

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