Warum Horst Heldt sich hinterfragen muss
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Punkt 1: Titel
"Ich habe schon bewiesen, dass ich Mannschaften zusammenstellen kann, die in den Europacup kommen. Ich weiß sogar, wie man Deutscher Meister wird" - Horst Heldt
Zwei Titel konnte Horst Heldt bisweilen als Sportdirektor sammeln. Zum einen die Meisterschaft 2007 mit dem VfB Stuttgart, zum anderen den DFB-Pokal 2011 mit dem FC Schalke. Doch wie viel Anteil hatte Heldt an diesen Titeln?
2007 übernahm Heldt Januar den Posten des Sportdirektors und entließ einen Monat später Trainer-Legende Giovanni Trapattoni. Den Trainerstuhl übernahm Armin Veh, zu dem Zeitpunkt seit fast zwei Jahren ohne Engagement. Unter der Regie des Augsburgers gelang dem VfB mit dem Gewinn der Meisterschaft der ganz große Coup. Der Verdienst von Heldt? Da könnte man ebenso fragen, welchen Einfluss ein Trainer wirklich auf seinen Kader hat. Fakt ist, dass Veh von Horst Heldt eingestellt wurde. Ob ihn das jetzt auch zum Meistermacher kürt, ist eine andere Sache.
Danach wurde es etwas ruhiger im Schwabenland: im Folgejahr erreichte man knapp die Europa League. Nach einem starken dritten Platz 2009 wurde das internationale Geschäft im nächsten Jahr verpasst.
Nach seinem Wechsel im Juni 2010 in den Vorstand von Schalke 04 konnte Heldt im Folgejahr den DFB-Pokal in die Höhe recken. Einen Trainerwechsel musste er (noch) nicht vornehmen, auch die Transfers wurden von damaligen Trainer Felix Magath abgewickelt. Nach schwachen Leistungen in der Liga musste Magath gehen, Ralf Rangnick nahm seinen Platz ein und holte den DFB-Pokal. Einen Anteil am Pokal-Sieg ist ihm abzusprechen, da Rangnick selbst lediglich das Team im Finale gegen Duisburg leitete. Somit ist auch Heldt nicht wirklich der Macher dieses Erfolgs. In der Liga sah es ohnehin ganz anders aus - Königsblau entkam mit Platz 14 knapp der Relegation. Bis heute wurde Schalke dreimal Dritter, einmal musste man sich mit Platz vier begnügen.
Die deutsche Meisterschaft 2007 ist der einzige Titel, den Horst Heldt mit seinem Einfluss holen konnte. Wie groß dieser Einfluss war, darüber lässt sich streiten, zumal die Meisterschaft ohnehin als "Überraschung" eingeschätzt wurde.
Horst hinterfragt: "Wie kann ich meine gute Leistung auf hohem Niveau ohne Titel unterstreichen?"
Die Antwort: Gar nicht. Bei dem Budget, welches die Knappen besitzen, muss mehr her. National als auch international.
Punkt 2: Trainer
"Es fehlt die notwendige Konstanz, um unsere gesteckten sportlichen Ziele zu erreichen." - Horst Heldt zur Entlassung von Jens Keller
Zwei Vereine, 7 Jahre, Zehn Trainer - das ist Horst Heldts Bilanz gegen den Trainerstuhl. Seine erste Amtshandlung in Stuttgart war die Entlassung von Trapattoni, auf Schalke vergingen bis zu seiner ersten erteilten Beurlaubung neun Monate. Von Veh über Babbel bis Keller: die Liste der durch Horst Heldt entlassenen Trainer ist lang. Und die Tatsache, dass so viele Trainer kommen und gehen mussten, beweist, dass der passende Trainer nie wirklich gefunden werden konnte.
Viele Entscheidungen stellten sich im Nachhinein als fragwürdig heraus. Die Trainersituation in Stuttgart beispielsweise. Nach dem Meistertitel holte Armin Veh Platz 6. Nach einem schwachen Start in die dritte Saison wurde Veh entlassen, Markus Babbel übernahm und führte das Team auf Platz drei - ein Riesenerfolg. Doch der passende Trainer war Babbel wohl nicht: nach einer Schwächephase wurde Babbel 2009 durch Christian Gross ersetzt.
Heldt wechselte nach Schalke, doch das Feuern hörte noch lange nicht auf. Nach der Beurlaubung von Magath durfte Ralf Rangnick ran, schied jedoch nach kurzer Zeit wegen einer Burnout-Erkrankung aus. Es folgte Schalke-Legende Huub Stevens, doch die Liebe hielt nur ein Jahr und drei Monate an, ehe er durch Jens Keller ersetzt wurde, welcher schon bei seiner Präsentation in der Kritik stand. Knapp zwei Jahre hielt der ehemalige Stuttgarter Kollege Keller bei Heldt durch, dann erhielt auch er sein Kündigungsschreiben. Nun sitzt Roberto Di Matteo auf dem heißen Stuhl, und Horst Heldt gleich mit - denn er weiß ganz genau: wenn dieser Trainer scheitert, geht er mit unter.
Horst hinterfragt: "War ich bei meinen personellen Entscheidungen zu voreilig?"
Die Antwort: Ja. Markus Babbel hat Krise gekonnt, man hätte es ihn definitv versuchen lassen müssen. Auch Huub Stevens war der stärskte Trainer seit langem auf Schalke, wurde dennoch auf Platz Sieben (!) entlassen - bayrische Ansprüche, bayrische Verhältnisse.
Punkt 3: Transfers
"Nur so viel: In der aktuellen Tabelle der Transferausgaben sind wir 14. Bei den Transfereinnahmen sind wir auf Platz sieben. Damit will ich sagen, dass wir auf Schalke andere Voraussetzungen als die meisten unserer Konkurrenten um die internationalen Plätze haben." - Horst Heldt zur Kritik an der Schalker Transferpolitik
Transferpolitik ist die Basis für langfristigen Erfolg - auf nationaler und internationaler Ebene. Das weiß auch Horst Heldt, und hat in seinen sechs Amtszeiten vereinsübergreifend rund 112 Millionen Euro für Spieler ausgegeben. Wie hat Heldt das Geld investiert?
Beim VfB Stuttgart hatte Heldt kein gutes Händchen mit Transfers. Ob Boulahrouz, Marica oder Progebnyak: ein richtiger Hit war keiner dieser Einkäufe. 40 Millionen € flossen in drei Jahren aus dem Schwabenland ab - dennoch war keiner der Transfers eine tatkräftige Verstärkung.
Auch auf Schalke hatte der Sportvorstand kein Glück. Obasi, Szalai und noch mehr Spieler konnten den königsblauen Ansprüchen gerecht nicht werden. Der mit Abstand größte Transfer-Coup war der Wechsel von Klaas-Jan Huntelaar. Da dieser Transfer jedoch in der Magath-Ära stattfand, kann man Heldt auch hier wiederum nur teilweise Anteile an diesem Erfolg gewähren.
Es waren vielmehr die Transfers, die Schalke zulassen musste, für welche Heldt kritisiert wurde. Auch wenn es leicht utopisch klingt hatten viele erwartet, dass Schalke-Urgestein Manuel Neuer in Gelsenkrichen gehalten werden kann. Hinzu kommt Lewis Holtby, welcher für einen Notgroschen noch im Winter verkauft wurde, da man sich nicht vertraglich mit ihm einig wurde. Derzeit bangen die Fans um Huntelaar, dessen Kontrakt im nächsten Sommer ausläuft. Einziger Lichtblick: Julian Draxler. Das Schalke-Talent verlängerte bis 2018, ein starkes Bekenntnis zu Königsblau und ein deutliches Zeichen für die Zukunft.
Horst hinterfragt: "Was kann ich an meiner Transferpolitik verbessern?"
Die Antwort: Nicht mehr viel. Die Ausgaben wurden reduziert, auch Schulden wurden abgebaut. Dennoch verlieren die Schalker ihre Spieler oft aufgrund auslaufender Verträge. Im Winter sind Einkäufe geplant. Auch hier ist wieder Vorsicht geboten: hoffentlich hat Heldt aus seinen Fehlgriffen gelernt. Dennoch geht Heldt transferpolitisch in die richtige Richtung.
Horst Heldt macht nicht alles falsch. Der Schuldenberg schmilzt und Schalke ist kontinuierlich in Europa vertreten. Doch dass das den Ansprüchen der Führungsriege nicht genügt, zeigen unter anderem die Trainerentlassungen. Schalke und Heldt wollen hoch hinaus, doch das geht nur mit Titeln, einem gestärkten und ungestört arbeitenden Trainer sowie einem über die Startelf hinaus starken Kader.
Sonst kommt Heldt erneut ins Kreuzfeuer. Und die Fragestunde geht in die nächste Runde.
Eure Meinung zählt! Ist die Kritik an Horst Heldt berechtigt?
Hallo,
AntwortenLöschendie Kritik an Horst Heldt ist teilweise berechtigt, teilweise jedoch nicht.
Seine Aussagen zu den Titeln dienten in meinen Augen lediglich als Selbstverteidigung zum Thema Kaderplanung.
Diese wird auch in diesem Jahr stark kritisiert, wobei festzuhalten ist, dass er mit Dennis Aogo und Eric Choupo-Moting zwei im Preis-Leistungsverhältnis Top-Verpflichtungen getätigt hat. Auch einen Sidney Sam der für eine kleinere Summe verpflichtet wurde kann man noch nicht als Fehleinkauf bezeichnen, da er in meinen Augen noch kein Spiel bestritten hat, indem er vollkommen fit war.
Warum war er nicht fit? Zum einen, weil er dauerhaft muskuläre Probleme hatte und zum anderen wegen laschen Trainingseinheiten vom ehemaligen Trainer. ( Schlüsse beispielsweise aus dem ersten Spiel, wo Boateng nach 80 Minuten einen Krampf bekommt und alle sich Fragen wovon? )
Jens Keller hatte in meinen Augen in der letzten Saison mehr Glück als Verstand. Die erfolgreiche Rückrundenmannschaft stellte sich Spiel für Spiel von selbst auf, da niemand anders zur Verfügung stand. Und die Jungs machten ihre Sache hervorragend, unter anderem begünstigt von der Rückkehr von Huntelaar und dem Durchbruch von Goretzka und den Verkauf vom Unruheherd Jones, der eine katastrophale Hinrunde spielte.
Was jedoch immer fehlte war die taktische Variabilität. Jedes Spiel 4-2-3-1 und wenn es mal nicht lief, wurde kein Versuch unternommen dies durch taktische Wechsel zu ändern.
Somit halte ich die Entlassung von Keller für berechtigt.
Er muss sich jedoch sagen lassen, dass er keinen Spieler verpflichtet hat, der im defensiven oder zentralen Mittelfeld die Fäden so zieht, dass Mannschaften, die sich hinten reinstellen ernsthafte Probleme bekommen. Da ist die Mannschaft häufig zu ideenlos.
Auch die Entlassung von Stevens kam in meinen Augen zu früh. Nach ein paar Spielen, in denen die Mannschaft nicht einmal schlecht gespielt hat und nur durch katastrophale individuelle Fehler verloren hatte.
Nun zu den Transfers der Vorjahre:
Einen Jurado aufzuführen ist sachlich falsch, genau wie Huntelaar. Für beide Transfers war noch ein gewisser Felix Magath verantwortlich. Das ein Lewis Holtby persönlich einiges falsch gemacht hat, weiß er mittlerweile. Für die paar Groschen mehr zu Tottenham auf die Bank oder bei Schalke Stammspieler auf der 10 sein und jedes Jahr international zu spielen. Er wurde verkauft, um überhaupt noch eine Ablöse zu bekommen und einen Unruheherd zu beseitigen.
Alles in allem hat ein Horst Heldt bestimmt nicht alles richtig gemacht, aber vieles. Wenn die Verbindlichkeiten weiter abgebaut werden und im zentralen Mittelfeld noch die Initialzündung kommt, sei es durch eine Neuverpflichtung oder den wiederkehrenden Goretzka, wird diese Mannschaft auch in diesem Jahr wieder unter die ersten 4 der Bundesliga kommen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit